Was ist Kognitive Therapie?
Sogenannte "Kognitionen" sind in der psychologischen Fachsprache all unsere Denkprozesse - Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, sprachliche oder bildliche Gedanken, Vorstellungen von Sinneseindrücken, Erinnerungen, Gedächtnis usw.
In der Psychotherapie sind sie erstmals bei Freud und seiner Psychoanalyse in den Blick genommen wurden (als es um das sog. Freie Assoziieren ging, wobei die Äußerungen dann zum Spekulationsmaterial über das Unbewusste wurden). Erneut in den Fokus kamen unsere Gedanken verstärkt ab den 1960er-Jahren, auf eine andere Art: Mehrere Psychotherapeuten (A. Ellis, D. Meichenbaum und A. Beck), die der Verhaltenstherapie-Schule angehörten, merkten damals, dass bei bestimmten psychischen Störungen klassische Verhaltenstrainings und der Ansatz der Konditionierung nicht ausreichten - allen voran bei der Depression. Sie arbeiteten heraus, dass es bestimmte starre, negative Sichtweisen, Bewertungen und Glaubenssätze waren sowie andere dysfunktionale Kognitionen, die das Leid dieser Menschen aufrecht erhielten. So entwickelten sie mit der Zeit strukturierte und standardisierte Verfahren zur Analyse und Veränderung nicht hilfreicher bzw. nicht zielführender oder irrationaler Gedanken. Diese damals neue Entwicklung wird in der Verhaltenstherapie-Schule "Kognitive Wende" genannt bzw. auch "Zweite Welle der Verhaltenstherapie".
Solche dysfunktionalen - also negativen, irrationalen, nicht hilfreichen - Sichtweisen oder Bewertungen sind z.B.:
- negative Sicht auf sich selbst, die eigene Umwelt und auf die Zukunft (= sog. Kognitive Triade nach Beck)
- Schwarz-weiß-Denken (dichotomes Denken)
- Tunnelblick (nur negativ Dinge wahrnehmen, die ein negatives Weltbild verstärken)
- Übergeneralisieren
- Katastrophisieren
- uvm.
Die Bearbeitung dieser Kognitionen nennt man "Kognitive Umstrukturierung". Hierbei geht es darum, dass die Betroffenen überhaupt erst mal eine Sensibilität für diese Prozesse entwickeln, denn in der Regel laufen diese Gedanken automatisch und oft unbewusst ab. Sie beeinflussen sehr stark, wie wir einzelne Momente und Situationen bewerten, interpretieren und wie wir dadurch unser Leben sehen. Dies beeinflusst wiederum sehr stark unsere Stimmung und auch einzelne Gefühle: Angst, Ärger, Scham und Traurigkeit entstehen oder werden noch weiter verstärkt.
Da sich diese kognitiven Prozesse mit der Zeit meist weiter verstärken und festigen (aus hauchdünnen neuronalen Verknüpfungen werden dicke "Daten-Autobahnen" im Gehirn), ist es umso wichtiger, wieder zu lernen, anders zu denken!
Aufgrund der Herkunft dieses Verfahrens aus der Verhaltenstherapie-Schule heraus (und weil verhaltenstherapeutische Methoden oft in Kombination mit Kognitiver Umstrukturierung angewandt werden), spricht man meistens von "Kognitiver Verhaltenstherapie", kurz: KVT. Es gibt aber von Anfang an auch Tendenzen, sie einfach nur "Kognitive Therapie" zu nennen.
Die KVT wird inzwischen bei nahezu allen psychischen Störungen erfolgreich (oder zum Erfolg beitragend) eingesetzt und ist wissenschaftlich vielfach in ihrer Wirksamkeit belegt. Inwiefern die Kognitive Verhaltenstherapie ergänzt wird durch andere Ansätze lesen Sie im Text zur Verhaltenstherapie.
* * *
Eine Weiterentwicklung der letzten dreißig Jahre ist die sogenannte "Metakognitive Therapie" nach Wells. Hier werden auch kognitive Prozesse in den Blick genommen, jedoch solche, die unseren eigentlichen Gedanken übergeordnet oder vorgeschaltet sind.
Anders als in der Kognitiven Verhaltenstherapie wird nicht auf die Inhalte unserer Gedanken geschaut, sondern auf sog. Metakognitionen: Diese steuern, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten und welche Gedanken wir aus der Fülle möglicher Gedanken tatsächlich auswählen und denken. Dahinter stehen bestimmte Überzeugungen, z.B. dass es wichtig ist, intensiv über schwierige Situationen nachzudenken, um zu einer Lösung zu gelangen. Oder dass es wichtig ist, sich vorab alle Dinge, die in einer bevorstehenden Situation eintreten könnten, vor Augen zu führen, um für alle Eventualitäten vorzubereitet zu sein. Ersteres führt zu häufigem Grübeln, einem zentralen aufrechterhaltenden Prozess bei Depressionen. Zweiteres verleitet dazu, dass sich Betroffene sehr häufig und intensiv im Vorfeld über Bevorstehendes Sorgen machen und unter diesen katastrophisierenden Vorstellungen leiden.
Da solche metakognitiven Überzeugungen deutlich besser eingrenzbar sind als die unendlich vielen dysfunktionalen Kognitionen, die man inhaltlich alle einzeln in der KVT durchgehen müsste, kann es sinnvoll sein, vielmehr an eben diesen metakognitiven Überzeugungen und Prozessen zu arbeiten.
Teil dieses Ansatzes sind ausführliche Analysen des Denkprozesses in psychisch belastenden Situationen. Zum Einsatz kommen zudem verschiedene Fragebögen, um den Grad der Überzeugtheit von bestimmten metakognitiven Sichtweisen zu überprüfen. Diese werden dann auf ähnliche Weise hinterfragt und geprüft wie die dysfunktionalen automatischen Gedanken bei der KVT (mittels Sokratischen Dialogs bzw. Disputation). Teil der Metakognitiven Therapie (MCT) sind außerdem: das Aufmerksamkeitstraining, Übungen, um eine bestimmte Art von achtsamer Haltung seinen Gedanken gegenüber zu erreichen (die losgelöste Achtsamkeit, engl. Detached Mindfulness), das bewusste Aufschieben von Sich-Sorgen und Grübeln sowie Expositionen mit bewusst veränderter Aufmerksamkeitslenkung.
Indikationen für diese Therapieform sind v.a.: Depressionen, Generalisierte Angststörung, Soziale Phobie, Posttraumatische Belastungsstörung sowie Zwangsstörungen.